- Hungersnöte in Deutschland zur Zeit des Vormärz
- Hungersnöte in Deutschland zur Zeit des VormärzDie katastrophale Missernte des Jahres 1816 hatte besonders stark die bereits verarmte und hungernde Bevölkerung auf dem Lande, vor allem im Westen und Südwesten Deutschlands, getroffen. Das starke Wachstum der Gesamtbevölkerung und die Umschichtung der Bevölkerungsstruktur auf dem Lande durch die Agrarreformen führten zusätzlich zu einem raschen Anwachsen der Unterschichten, die am Rande des Existenzminimums lebten und in Notzeiten unter diese Grenze sanken. So kam es schon 1816/17 zur ersten Massenauswanderung aus Deutschland, vornehmlich aus Südwestdeutschland.Ziel der Auswanderer war schon in dieser ersten Phase hauptsächlich Nordamerika, eine kleinere Anzahl ging nach Russland. Die Verelendung der Unterschichten infolge der sich durch den Bevölkerungsdruck ausbreitenden Massenarbeitslosigkeit ließ die Auswandererzahlen nach 1830 wieder steil ansteigen. Wenn gute Ernten die Ernährungslage verbesserten, wie Anfang der 1840er-Jahre, ebbte sofort auch die Auswanderungswelle wieder ab. Erneut erfolgte ein sprunghafter Anstieg mit Beginn der Hungersnot, die die in der Revolution von 1848 gipfelnde wirtschaftliche, soziale und politische Krise einleitete.Betrug die Zahl der Auswanderer zwischen 1834 und 1845 jährlich etwa 20 000, so wanderten im folgenden Jahrzehnt von 1846 bis 1855 insgesamt 1,1 Millionen Menschen aus, im Jahr 1854 allein 239 000. Weiterhin war Nordamerika das bevorzugte Einwanderungsziel, erst in zweiter Linie Südamerika und Australien. Da sich infolge einer jetzt besser geregelten Organisation der Auswanderung - die Auswanderertransporte nahmen vor allem die Hansestädte Hamburg und Bremen vor - die Überfahrtkosten verbilligten, konnten auch die Ärmsten die Auswanderung anstreben, die zum Teil durch Auswanderervereine gefördert wurde. Auch Gemeindebehörden, die ihre sie stark belastenden Unterschichten loswerden wollten, unterstützten die Auswanderungsbereitschaft.Der Anteil der politischen Emigranten war anfänglich gering, steigerte sich jedoch mit der Zunahme der Demagogenverfolgungen und schwoll nach dem Scheitern der Revolution 1848/49 deutlich an. Der Verlust an politischer Substanz war besonders Anfang der 1850er-Jahre beträchtlich. Es hat offenbar Versuche gegeben, diesen Verlust an Menschen durch die Massenauswanderung aufzuhalten oder doch den Auswandererstrom in den südosteuropäischen Raum umzulenken, wobei man wohl an eine Verstärkung des deutschen Bevölkerungsteils im Habsburgerreich (Donauraum) gedacht hat. Diese Versuche sind jedoch in Ansätzen stecken geblieben.Von 1830 bis 1870 sind allein nach Übersee, vornehmlich nach Nordamerika, über 2,5 Millionen Deutsche ausgewandert.
Universal-Lexikon. 2012.